Vorreiter

Projektlogo Vorreiter  

Biologisch inspirierte Lenkgesten

 

Steckbrief

Eckdaten

Laufzeit:
01.01.2017 bis 31.12.2019
Forschungsbereich:
Haptische Interaktion und Gestensteuerung
Status:
Abgeschlossen

Kontakt

Name

Frank Flemisch

Leitung Lehr- und Forschungsgebiet Systemergonomie

Telefon

work
+49 241 80 99435

E-Mail

E-Mail
 

Kurzbeschreibung

Im Projekt Vorreiter wurden Lenkgesten-Konzepte für teil- und hochautomatisierte Fahrzeuge als „Design for All“, das heißt, für Menschen jeden Alters mit und ohne Behinderungen entwickelt, umgesetzt und evaluiert. Als Quelle der Inspiration diente das natürliche Vorbild von Reitenden und Pferden, die im permanenten Austausch über diskrete Signale (Gesten) am Zügel miteinander kommunizieren. Übertragen auf Fahrerinnen und Fahrer und die Fahrzeugautomation erlauben die Lenkgesten durch automatische Manöver - über intuitive Streich-, oder Dreh- /Drückgesten am Lenkrad oder Joystick - auszulösen und zu kontrollieren. Das interdisziplinäre Konsortium aus Industrie und Forschungseinrichtungen übertrug diese wissenschaftlichen Erkenntnisse auf erlebbare Demonstratoren und wirtschaftliche Anwendungen.

Herausforderungen

Das teil- und hochautomatisierte Fahren gewinnt mit der stetig steigenden Leistungsfähigkeit von Computersystemen, die kontinuierlich auch Einzug in die Fahrzeugelektronik halten, mehr und mehr an Bedeutung. Parallel dazu fallen die Kosten für Sensoren, welche die Überwachung der Umgebungssituation eines Fahrzeugs ermöglichen. Dennoch stand die Entwicklung von intuitiven und vor allem sicheren Konzepten in der jüngeren Vergangenheit nicht immer im Vordergrund, wie Unfälle mit dem Tesla-Autopiloten und/oder der Hochautomation von Uber zeigen. Diese Herausforderungen wurden im Projekt Vorreiter adressiert, indem nicht nur die Erforschung eines intuitiven Eingabesystems für das teil- und hochautomatisierte Fahren im Simulator entwickelt wurde, sondern die intuitive Eingabe über Lenkgesten auch innerhalb des interdisziplinären Konsortiums bereits im Entwicklungsprozess auf mögliche Schwächen und Fehler überprüft wurde.

Zielsetzung

Das Ziel des Projekts Vorreiter bestand darin, die gesammelte Intelligenz des technischen Systems, das heißt, der Bewegungsassistenz bzw. Automation so bereitzustellen, dass sie in der jeweiligen Situation mögliche Handlungen in Form von Manövern schnell begreifbar machen und diese dabei durch intuitive Lenkgesten am Lenkrad oder Sidestick ebenfalls schnell und sicher umsetzbar sind. Zur Inspiration diente hierbei die Interaktion zwischen Reitenden und Pferden, bei der das Pferd mögliche Bewegungsmuster durch diskrete „Lenk“-Gesten am Zügel bzw. am Steigbügel initiiert. Übertragen auf Fahrzeuge konnten die jeweils möglichen Manöver von der Automation bzw. einem Co-System evaluiert werden und in Form von Bewegungstrajektorien auf einem Display oder der Scheibe angezeigt werden. Durch leichtes Drücken des Stellteils konnten die Manöver aktiviert und durch das gleiche Stellteil auch kontrolliert, beeinflusst und jederzeit unterbrochen werden. Beispiele für Manövergesten sind z. B. ein Spurwechsel auf der Autobahn oder in der Stadt, ein Abbiegevorgang, das Halten und Anfahren vor einem Fußgängerüberweg oder ein Einparkvorgang. Eine solche Steuerung über Lenkgesten kann bereits für Fahrerinnen und Fahrer ohne Behinderung einen Komfortgewinn - in Hinsicht auf schnelle sicherheitskritische Manöver - auch einen Sicherheitsgewinn bedeuten. Bei jüngeren Fahrerinnen und Fahrern kann der Vorschlag eines Bewegungspfades durch die Automation die noch fehlende Erfahrung, bei älteren Fahrerinnen und Fahrern eine möglicherweise langsamere Reaktionszeit, ausgleichen. Fahrerinnen und Fahrern mit Behinderungen kann neben der schnelleren Reaktionszeit vor allem auch zugutekommen, dass nur die Initiative für das jeweilige Manöver vom Fahrenden kommen muss, die kraftaufwändige Umsetzung bzw. Ausführung des Manövers des Fahrzeuges jedoch von der Automation übernommen wird.

 

Vorgehen

 
  Modell Informationsfluss, Beschreibung siehe Bildunterschrift Urheberrecht: © IAW Modell des Informationsflusses bei Ausführung bei Ausführung einer Lenkgeste zwischen Mensch, Co-System und Umwelt über haptisches Stellteil wie z.B. ein berührungssensitives Lenkrad  

Das Vorgehen im Projekt Vorreiter gliederte sich in fünf Arbeitspakete. Als Konsortialführer war das Lehr- und Forschungsgebiet Systemergonomie am IAW an allen Arbeitspaketen beteiligt. Im ersten Arbeitspaket lag der Fokus auf der Erhebung von Anforderungen, die sich aus den verschiedenen Zielgruppen ergaben, die im Projekt Vorreiter adressiert wurden. Die Anforderungen wurden hauptsächlich aus umfangreichen Interviews, die in den jeweiligen Zielgruppen geführt wurden, abgeleitet. Das zweite Arbeitspaket zielte auf die Strukturierung des Gestaltungs- und des Nutzungsraumes der Komponenten ab, welche für die manöverbasierte Steuerung eines teil- und hochautomatisierten Fahrzeugs verwendet werden sollten. Dies ermöglichte im weiteren Projektverlauf die partizipative Gestaltung der Mensch-Maschine- bzw. Mensch-Fahrzeug-Schnittstelle. Die Ergebnisse dieses Arbeitspakets wurden zum einen über begleitende Literaturstudien und zum anderen im Rahmen von Workshops mit potenziellen Nutzerinnen und Nutzern erarbeitet. Da das Vorgehen nach dem Spiralmodell partizipativ und iterativ erfolgte, wurde das initiale Design im Projektverlauf kontinuierlich weiterentwickelt, überarbeitet und im Rahmen des dritten Arbeitspaketes mit zunehmendem Detaillierungsgrad implementiert. Das vierte Arbeitspaket befasste sich größtenteils mit dem Austausch und der Berücksichtigung von Informationen, um bei der Implementierung eine hohe Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer sowie die Rechtskonformität des Konzeptes zu gewährleisten. Das fünfte Arbeitspaket beinhaltete die experimentelle Überprüfung des implementierten Konzepts durch umfassende Simulatorversuche. Dazu wurde eine am IAW bereits vorhandene Fahrzeugautomation an die Anforderungen des Projekts angepasst und die entwickelten Manövergesten im Hinblick auf relevante Systemqualitäten evaluiert.

 

Ergebnisse

 
  Ein Proband fährt im statischen Fahrsimulator Urheberrecht: © IAW Person sitzt im Fahrsimulator und führt Streichgesten auf einem berührungsempfindlichen Lenkkranz aus  

Die Ergebnisse der Simulatorversuche zeigten, dass das implementierte Konzept insbesondere für die Automationsstufen 3 und 4 als sehr positiv bewertet wurde. Somit konnte der Bedarf eines solchen Konzepts zur Anwendung in realen Fahrzeugen für den Massenmarkt insgesamt deutlich bestätigt werden. Auch Fahrinnen und Fahrer mit Behinderungen empfanden die Interaktion über Manövergesten mit einem hochautomatisierten Fahrzeug als positiv und entlastend. Insgesamt erreichte das Konsortium die Entwicklung und intensive Erforschung eines rechtlich abgesicherten Lenkgesten-Konzepts, welches zwar noch nicht serienreif ist, aber mit etwas „Feinschliff“ gute Chancen hat, eine komplexe Automation sowohl für den Massenmarkt als auch - mit individuellen Anpassungen - für Menschen mit Behinderungen einfach erlern- und bedienbar zu machen.

Förderung

Das Projekt wurde gefördert vom deutschen Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Projektpartner

Fraunhofer IAO
IAT Stuttgart
HWR Berlin
Valeo Schalter und Sensoren GmbH
PARAVAN

Logo BMBF