Analyzing socially acceptable human-robot interaction holistically - a social-psychological multi-level approach

Leichtmann, Benedikt; Nitsch, Verena (Thesis advisor); Rosenthal-von der Pütten, Astrid Marieke (Thesis advisor)

Aachen : RWTH Aachen University (2021)
Doktorarbeit

Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2021

Kurzfassung

Eine erfolgreiche Implementierung neuartiger Robotertechnologien in existierende Umgebungen mit menschlichen Nutzer*innen verlangt eine sozial tragbare Realisierung der Interaktion zwischen Technologie und Mensch. Eine Mensch-Roboter Interaktion ist eingebettet in soziale Systeme und wird durch ebenjenen sozialen Kontext wesentlich beeinflusst. Gleichsam wiederum prägt Technologie auch die soziale Umwelt. Dies macht eine mensch-zentrierte Gestaltung sozio-technischer Systeme unabdingbar. Ergo muss bei der Gestaltung und Untersuchung der Mensch-Roboter Interaktion das ganze soziale System in einem holistischen Ansatz miteinbezogen werden. Eine wissenschaftliche Disziplin, die dabei von besonderem Wert sein kann, ist die Sozialpsychologie. Aufbauend auf diesen Annahmen, besteht der wesentliche Beitrag dieser Dissertation aus drei Bausteinen: Erstens, konzeptionell wird aufgezeigt, wie sich einer sozial-verträglichen Mensch-Roboter Interaktion holistisch durch die Anwendung sozialpsychologischer Theorien, Methoden und Forschungspraktiken auf verschiedenen Analyseebenen angenähert werden kann. Dabei wird ein theoretisches Rahmenkonzept vorgeschlagen, das die wissenschaftliche Betrachtung der Mensch-Roboter Interaktion zunächst in zwei allgemeine Ebenen untereilt, eine phänomenale Ebene, auf der die Mensch-Roboter Interaktion als soziales Phänomen untersucht wird, und eine meta-wissenschaftliche Ebene, auf der die philosophischen Grundannahmen, Theorien, Methoden und Forschungspraktiken der Mensch-Roboter Interaktion als wissenschaftliche Disziplin kritisch reflektiert werden. Zusätzlich wird auf phänomenaler Ebene die Mensch-Roboter Interaktion auf 3 Betrachtungsebenen analysiert, eine Betrachtungsebene zur Untersuchung sozialer Kognitionen, eine Situationale Betrachtungsebene mit Fokus auf sozialen Relationen und kontextuale Einflüsse, und eine höhere System-Betrachtungsebene zur Beschreibung sozialer Einflüsse, die sich aus der Dynamik des sozialen Systems ergeben. Zweitens, um zu einem besseren Verständnis von Mensch-Roboter Interaktion auf verschiedenen Analyseebenen beizutragen, werden durch vier empirische Studien zu unterschiedlichen Forschungsthemen aus der Mensch-Roboter Interaktion spezifische Forschungslücken adressiert. Auf der individuellen Betrachtungsebene werden Erkenntnisse zu sozialen Kognitionen aus einer Laborstudie mit N = 107 Versuchspersonen über den Effekt sozialer Erwünschtheit bei der Mensch-Roboter Interaktion präsentiert. Die konzeptionelle Replizierung einer klassischen Studie nach Nass et al. (1999), die besagt, dass technische Geräte auch als soziale Akteure wahrgenommen werden, konnte jedoch kein solches Verhalten aufzeigen. Auf situationaler Betrachtungsebene wird Personal Space bei der Mensch-Roboter Interaktion analysiert. Eine systematische Literatur-Übersicht und Meta-Analyse von k = 27 Studien mit insgesamt N = 1299 Versuchspersonen zeigt auf, dass Wissen über Personal Space bei der Mensch-Roboter Interaktion durch eine gemischte Befundlage und viele theoretische und methodische Probleme limitiert ist. Eine weitere Laborstudie mit N = 72 Versuchspersonen sollte dabei weitere Aufschlüsse zu Kontext-Effekten liefern. Raumgröße und Arbeitsgedächtnisbelastung hatten jedoch keinen signifikanten Einfluss auf die Wohlfühldistanz. Auf höherer System-Betrachtungsebene wurde zum besseren Verständnis des sozialen Einflusses durch die Implementierung von Robotern, die Einstellung von N = 556 Werkskräften gegenüber der Einführung neuer kooperativer, industrieller Roboter analysiert. In diesem Zusammenhang wurde ein kontext-spezifischer Fragebogen mit 12 Items (ACIR-Q) entwickelt. Die Studie zeigt Zusammenhänge zwischen Einstellungen und organisationalen Konstrukten auf, sowie Unterschiede zwischen Unternehmen. Drittens zeigt diese Dissertation durch die Diskussion von meta-wissenschaftlichen Erkenntnissen aus den Studien Verbesserungspotenziale für die wissenschaftliche Untersuchung von Mensch-Roboter Interaktion hinsichtlich Theorie, Methodik und Forschungspraxis auf, die auch im Rahmen der Replizierbarkeitskrise in der Sozialpsychologie diskutiert wurden. Daher sind die daraus resultierenden Reformen der Sozialpsychologie auch für die Forschung zur Mensch-Roboter Interaktion empfohlen. Die Forschung zur Mensch-Roboter Interaktion steht immer noch am Anfang und ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Eine sozialpsychologische Betrachtungsweise der Mensch-Roboter Interaktion unter Einbezug verschiedener Analyseebenen kann daher nicht nur bei der sozial-verträglichen Gestaltung der Mensch-Roboter Interaktion wertvolle Unterstützung sein, sondern das Feld auch in seiner methodischen und theoretischen Ausrichtung voranbringen.

Einrichtungen

  • Lehrstuhl für Technik und Individuum [751110]
  • Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft [417110]

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