Psychophysikalische Messverfahren für die ergonomische Analyse
Die Elektrophysiologie befasst sich mit Messverfahren von Aktivitäten und Reaktionen des menschlichen Körpers. Das Einwirken von äußeren Einflüssen auf den Menschen kann durch die Elektrophysiologie sichtbar gemacht werden. Dabei wird die Veränderung physikalischer Größen, beispielsweise der Herzfrequenz, durch Sensoren erfasst. Das Ergebnis ermöglicht Rückschlüsse auf die Beanspruchung oder das menschliche Wohlbefinden.
Am Institut für Arbeitswissenschaft werden diverse Messverfahren angewendet. Zur Untersuchung von Beanspruchung und Wohlbefinden eignen sich im Besonderen die Messverfahren der Elektromyographie (EMG) und der Elektrokardiografie (EKG).
Die Erfassung von Muskelaktivitäten durch EMG erfolgt üblicherweise im Rahmen von Untersuchungen zur Arbeitsgestaltung. Vielfach stellt sich in der Praxis die Frage, wie sich Arbeitsplätze und Arbeitsaufgaben verändern lassen, um Muskel- und Skeletterkrankungen vorzubeugen. Eine wichtige Grundlage für Veränderungen von Arbeitsplätzen und Arbeitsaufgaben sind die Reaktionen des menschlichen Körpers während der Ausführung von Arbeitsaufgaben. Anhand des EMG lassen sich diese Reaktionen sichtbar machen und als Basis für die nachgelagerten Entscheidungen über die Optimierung von Arbeitsplätzen einsetzen. Weitere Anwendungsfelder der EMG liegen in der Analyse von Gangbildern des Menschen oder der Vergleich von Hebetätigkeiten anhand quantitativer Beanspruchungsdaten. Daneben ist auch die Gestaltung von Produkten, wie z.B. Head‑Mounted Diplsays (HMD), möglich, da beispielsweise die Beanspruchung der Nackenmuskulatur durch das Gewicht des HMDs anhand der EMG quantifizierbar ist.
Das Messverfahren EKG ist aus dem medizinischen Kontext im Rahmen der Belastungsanalyse vielfach bekannt. Es eignet sich zur Untersuchung der menschlichen Herzaktivität. Neben der körperlichen Belastung, wie sie im Rahmen des Belastungs-EKGs im Mittelpunkt steht, können Veränderungen der Herzaktivität auch durch andere Einflüsse, wie z. B. bei Stress oder Reiseübelkeit, verursacht werden. Hierzu ist eine weitergehende quantitative Analyse der EKG‑Daten durch die Bestimmung der Herzratenvariabilität (HRV) geboten. Somit kann der Einsatz des EKGs im Rahmen verschiedenster Fragestellungen erfolgen und deren Ergebnisse beispielsweise in die Produktentwicklung einfließen. Ein Beispiel hierfür stellt die objektive Erfassung von Reiseübelkeit anhand der HRV dar, welche z.B. Rückschlüsse auf die Gestaltung von Kraftfahrzeugen sowie deren Design, Fahrwerk oder autonome Fahrprogramme etc. ermöglicht.
Die Elektrodermatografie (EDA) erfasst mit Hilfe von Sensoren, z. B. an den Fingern, die Hautleitfähigkeit (engl. skin conductance response oder galvanic skin response), welche aufgrund einer veränderten Aktivität der Schweißdrüsen variiert. Primär dient die Aktivität der Schweißdrüsen der Thermoregulation des menschlichen Körpers. Hiervon zu unterscheiden ist das sog. emotionale Schwitzen, welches z.B. unter psychischer Beanspruchung insbesondere an den Händen und Füßen auftritt. Anwendung findet die EDA zur objektiven Erfassung von psychischen Beanspruchungszuständen beispielsweise im Rahmen der Beurteilung von Aufgabenschwierigkeiten.
Da ein wichtiger Teil der Informationsaufnahme über das visuelle System erfolgt, liegt es nahe, die Reaktionen des visuellen Systems zur Untersuchung von Beanspruchungen zu erfassen. Unter Zuhilfenahmeder Elektrookulografie (EOG) werden durch Elektroden, platziert über und unter sowie neben dem Auge, Lidschläge und Positionsänderung der Augen erfasst.